Update Bauchfellkrebs 2016 (für Ärzte)

Arbeitskreis Peritonealkarzinose

Die Peritonealkarzinose gastrointestinaler Tumoren ist ein häufiger Metastasierungsort: Bei zwischen 20% und 40% ist das Peritoneum der einzige Ort der Metastasierung; im Sektionsgut von Patienten mit metastasiertem Kolonkarzinom (mKRK) werden bei bis zu 80%, bei Magen- und Pankreaskarzinom über 90% der verstorbenen Tumorzellinfiltrate im Peritoneum  nachgewiesen. Im klinischen Verlauf zeigen sich zwischen den Tumorentitäten deutlichere Unterschiede, bei den beiden letztgenannten Tumorentitäten, insbesondere beim Magenkarzinom, werden hierdurch bedingte Symptome häufiger für die  Therapie relevant. Allerdings wird aus diesen Zahlen bereits klar, dass (mit Ausnahme des Pseudomyxoma peritonei) das Peritoneum häufig nur ein Metastasierungsort im Rahmen der Systemerkrankung ist. Eine Besonderheit besteht im Ausbreitungsmuster: diese erfolgt häufiger per continuitatem und als lymphogene, seltener  hämatogene Metastasierung. Gerade der Metastasierungsweg wirft einige Fragen auf, ob eine systemische Therapie überhaupt effektiv ist.

Beim Ovarialkarzinom ist das Peritoneum der häufigste Metastasierungsort

Dies kann aus zahlreichen Erfahrungen, bei verschiedenen Tumorentitäten, jedoch abgeleitet werden: Beim Ovarialkarzinom ist das Peritoneum der häufigste Metastasierungsort, die Ansprechraten zwischen peritonealer und viszeraler Metastasierung sind nicht unterschiedlich. Ein Teil der berichteten Ansprechraten in palliativen Therapiestudien  bei Patienten mit Magenkarzinom ist durch den Rückgang der Peritonealkarzinose (als „bulky disease“) bedingt. Es kann  angenommen werden, dass – möglicherweise bedingt durch die Lokalisation – „aktivere“ Schemata hier vorteilhaft sind: Aus der retrospektiven Analyse von 3 Studien beim mKRK, die die Auswirkung der systemischen Chemotherapie auf ausschließlich peritonealen Befall untersucht hat, zeigt sich, dass im Vergleich verschiedener 5 FU-Schemata kein Unterschied hinsichtlich des progressionsfreien oder Gesamtüberlebens besteht. Hingegen hat die Intensivierung der Systemtherapie durch Irinotecan (FOLFIRI) gegenüber 5 FU sowohl einen Nutzen bei den sonstigen, aber auch den peritonealen Metastasierungsorten gezeigt (Folprecht et al., ASCO GI 2007).

Eindrucksvolle Überlebenszahlen konnten erzielt werden

Bei isolierter oder dominanter peritonealer Metastasierung spielen kombinierte Verfahren mit zytoreduktiver Chirurgie (CRS),  mit oder ohne hypertherme intraperitoneale Chemotherapie (HIPEC, zumeist mit Fluoropyrimidinen +/ Mitomycin C +/-  Oxaliplatin), eine wichtige Rolle: In ausgewählten Situationen - und bei ausgewählten Patienten - konnten durch diesen ablativen Ansatz bei Magen- und kolorektalen Karzinomen eindrucksvolle Überlebenszahlen erzielt werden. Einige Untersuchungen haben die systemische Chemotherapie mit diesem kombinierten Ansatz verglichen. Das 10-Jahres-Update der niederländischen Studie (105 Patienten; Verwaal et al., Ann Surg Oncol 2008) zeigt, dass der bereits nach 5 Jahren follow-up berichtete Überlebensvorteil auch in eine Langzeitremission, entsprechend der Heilung der Erkrankung, übertragen werden kann. Allerdings ist das Ergebnis nicht verwunderlich, da die Systemtherapie nur aus (Bolus) 5-FU/Folinsäure  bestanden hatte. Ein modernerer Standard, die Polychemotherapie mit FOLFOX, wurde in einer „Matched Pair“-Analyse von Elias et al. (J Clin Oncol 2008) untersucht: Im Vergleich von 2 x 48 Patienten zeigte sich ebenfalls eine deutliche Verbesserung des Überlebens für das multimodale Vorgehen – obwohl das Überleben von Patienten mit ausschließlicher Chemotherapie trotz Peritonealkarzinose immerhin 24 Monate betrug.

VEGF-Therapien sind ebenfalls Erfolg versprechend

Neuere Systemtherapien, wie EGFR- und Anti-VEGF-Antikörper, sind isoliert bei Peritonealkarzinose noch nicht in der Breite untersucht worden. Es ist jedoch anzunehmen, dass die EGFR-Antikörper, die bei allen sonstigen Tumormanifestationen eine deutliche Größenregredienz der Metastasen gezeigt haben, dies auch an dieser Lokalisation tun werden. Den  kombinierten Ansatz nimmt eine Phase II-Studie der AIO/CAO-V auf, die nach einer „Induktions“-Chemotherapie (FOLFOX, FOLFIRI, XELOX oder XELIRI + Cetuximab über 3 Monate) nach Remission oder „stable disease“ einen Block mit  zytoreduktiver Chirurgie und HIPEC anschließt, gefolgt von der weiteren adjuvanten Therapie (LKP: Prof. Piso, Regensburg). VEGF-Therapien sind ebenfalls Erfolg versprechend, da es Hinweise darauf gibt, dass die VEGF-Sekretion als Pathomechanismus gerade für die Aszitesbildung verantwortlich ist, nämlich über eine Permeabilitätserhöhung der Endothelien. Hier ist die Rolle der intravenös verabreichten Systemtherapien noch nicht eindeutig geklärt, eine Studie der AIO untersucht ein intraperitoneales Protokoll bei refraktärem Aszites (Dr. Jordan, Halle; Prof. Hegewisch-Becker, Hamburg; www.aio-portal.de).

Weitere Studien sind in der Planung

Die interessante Interaktion zwischen peritonealer Therapie und peritonealem Nutzen und Prognoseverbesserung hat z.B. auch die Zulassungsstudie mit Catumaxomab gezeigt: Neben dem einen eindeutigen Effekt auf das Wiederauftreten von Aszites (im punktionsfreien Überleben) wurde in der Subgruppe der Patienten mit Ovarial- und Magenkarzinom zumindet ein starker Trend zur Verbesserung des Überlebens berichtet, hier sind weitere Studien in der Planung. Insofern bleibt auch in der metastasierten/inoperablen Situation die Frage offen, welcher Ansatz der Beste ist; die neuen molekularen Therapien haben jedoch das Spektrum auch hier bedeutend erweitert.